Hier erläutern wir einige Begriffe, die für unsere Arbeit unverzichtbar sind, in den Sinnzusammenhängen wie wir sie gebrauchen.
SYSTEM | Geordnetes Gebilde, das aus verschiedenen Komponenten mit unterschiedlichen Eigenschaften besteht, die aufgrund bestimmter funktionaler Beziehungen untereinander als gemeinsames Ganzes betrachtet werden. | Wir werden das Theater als ein solches System betrachten, welches aus vielen Teilen mit unterschiedlichen Eigenschaften und Funktionen besteht. (Bühne, Darsteller, Zuschauer, Licht, Ton, Text, Requisit, Kostüm, Video, Regie u.s.w.) |
KYBERNETIK | Kybernetik ist nach ihrem Begründer Norbert Wiener die Wissenschaft der Steuerung und Regelung von Maschinen und deren Analogie zur Handlungsweise von lebenden Organismen (aufgrund der Rückkopplung durch Sinnesorgane) und sozialen Organisationen (aufgrund der Rückkopplung durch Kommunikation und Beobachtung). Sie wurde auch mit der Formel „die Kunst des Steuerns“ beschrieben. | Kybernetik des Theaters ist die Erforschung der effektiven Selbstorganisation emanzipierter Teile eines sie selbst enthaltenden Systems mit dem Ziel, das System durch ihr Hinzutun so zu beeinflussen, dass es ihren Bedürfnissen gerecht wird, kurz die Disziplin des menschlichen Handelns. |
HEURISTIK | Heuristik bezeichnet Methoden, mit begrenztem Wissen (unvollständigen Informationen) und wenig Zeit, dennoch zu wahrscheinlichen Aussagen oder praktikablen Lösungen zu kommen. Es bezeichnet ein analytisches Vorgehen, bei dem mit begrenztem Wissen über ein System mit Hilfe mutmaßender Schlussfolgerungen Aussagen über das System getroffen werden. Die damit gefolgerten Aussagen weichen oftmals von der optimalen Lösung ab. | Nach dem "Unvollständigkeitssatz" kann ein Theaterzuschauer ausschliesslich zu heuristischen Annahmen kommen. |
HERMENEUTIK | Die Lehre vom Verstehen von Texten oder Sinnzusammenhängen in Kunstwerken, Handlungen oder geschichtlichen Ereignissen. | Die Bedeutung entsteht nicht auf der Bühne, sondern im Zuschauerraum. |
WIRKLICHKEIT | Mit dem Begriff Wirklichkeit soll das bezeichnet werden, was tatsächlich ist. Im Gegensatz zu Traum, | Alles, was auf der Bühne passiert, unabhängig von der Bewertung. |
KOMMUNIKATION | Die Übertragung von Informationen, deren Verarbeitung und Weitergabe. | Der Dialog zwischen Bühne und Zuschauerraum. |
RÜCKKOPPLUNG | Eine Wirkung, welche auf seine Ursache zurückwirkt. | Mikrophon und Lautsprecher. Dialog. |
FEEDBACK | *siehe Rückkopplung | Reaktion auf das Gesehene, welches das Gesehene verändert. (Darsteller*in - Regie) |
ALGORITHMUS | Ein Algorithmus bezeichnet eine systematische, logische Regel oder Vorgehensweise, die zur Lösung eines vorliegenden Problems führt. Im Gegensatz dazu steht dabei die schnellere, aber auch fehleranfälligere Heuristik. | Regeln, an denen sich die Handlung orientiert, um Konflikte und Widersprüche zu lösen. |
UNVOLLSTÄNDIGKEITSSATZ | *siehe Heuristik | Wenn du keine vollständige Wahrnehmung aller Informationen der Szene hast, wie willst du dann eine vollständige Interpretation haben? Viel eher ist wahrscheinlich, dass wir fehlinterpretieren. |
ÜBERLAGERUNG | Systemvergleiche. Schnittstellen. Kontext. Methapher. | Die Kunst, unterschiedliche Objekte oder Systeme so miteinander zu verknüpfen, das überraschende Erkenntnisse daraus erwachsen. |
BLINDER FLECK | Ein Bereich in unserem Sichtfeld, den wir nicht wahrnehmen können. | Etwas, das uns verborgen bleibt, auch wenn wir die ganze Zeit auf die Bühne starren. |
NEGATIVE WIRKLICHKEIT | Arbeitsbegriff von Jo Fabian, welcher den Einfluss von nicht stattfindenden Ereignissen auf die Wirklichkeit beschreibt. | Ereignisse, die nicht passieren, aber einen Einfluss auf das fortlaufende Geschehen haben, oder es sogar erst ermöglichen. Gehört in den Bereich der vollständigen Betrachtung einer Situation. |
SELBSTREFERENZ | Selbstbezogene Systeme und Rekursionen. | Zirkulation von Ursache und Wirkung. |
KYBERNETIK 1. ORDNUNG | Die Untersuchung von Objekteigenschaften durch Beobachter. Betreten eines Systems, um die Ziele des Systems zu beschreiben. | Lesart von Texten und die Übertragung dieser Ansicht auf die Rezipienten. |
KYBERNETIK 2. ORDNUNG | Die Untersuchung der Eigenschaften eines Beobachters. Betreten eines Systems mit eigenen Zielen. Die Beobachtung der Beobachter. | Die Untersuchung der Eigenschaften des Zuschauers, als Voraussetzung für die Entstehung von Interpretation und Bedeutung des Bühnenwerkes. |
BEOBACHTER | Beschreibung von beobachteten Objekten und Vorgängen, um deren Bedeutung zu identifizieren. | Zuschauer im Theater als Teil eines zirkulären Systems der Kommunikation. |
SELBSTORGANISATION | Selbstorganisation beschreibt die Prozesse und Interaktionen, in denen ein soziales System seine Strukturen und Vorgehensweisen selbst produziert und aufrechterhält. | Ein Theaterstück, welches aus sich selbst heraus entsteht und sich selbst vorgabenfrei organisiert. Die Emanzipation des Einzelnen als wesentliche Voraussetzung. |
FREMDORGANISATION | Dabei wird ein System oder eine Organisation durch Regeln von "oben" gelenkt. | Die Einrichtung einer hierarchischen Organisation, die der Stabilisierung und Etablierung von bestehenden Herrschaftsverhältnissen dient. |
KORRELATION | Eine Korrelation (mittellat. correlatio für „Wechselbeziehung“) beschreibt eine Beziehung zwischen zwei oder mehreren Merkmalen, Zuständen oder Funktionen. | Die Überprüfung von Überlegungen aus dem wissenschaftlichen Bereich der Kybernetikforschung für das Theater und umgekehrt. |
TRIVIALE MASCHINE | Identischer Input führt zu immer gleichem Output. | Wiederholung von Aufführungen mit immer gleichen Texten und Reaktionen. |
NICHT TRIVIALE MASCHINE | Gleicher Input - unterschiedlicher unvorhersehbarer Output. | Entscheidungsmöglichkeiten von Figuren. |
REKURSION | Eine Funktion, die sich immer wieder selbst aufruft und somit ihr vorangegangenes Ergebnis enthält. | Handlungsketten, die vorhergehende Erfahrung einbeziehen und darauf aufbauen. |
DEDUKTION | Vom Allgemeinen auf das Konkrete schließen. | Im Theater eher umgekehrt. (Induktion) |
SYLLOGISMUS | Logischer Schluss. Transformationregel, die zur Schlussfolgerung führt. Jeweils zwei Prämissen (Voraussetzungen), Obersatz und Untersatz genannt, führen zu einer Konklusion (Schlussfolgerung) | Benutzen wir nicht... |
IMMERSION | Immersion beschreibt den durch eine Umgebung der Virtuellen Realität hervorgerufenen Effekt, der das Bewusstsein des Nutzers, illusorischen Stimuli ausgesetzt zu sein, so weit in den Hintergrund treten lässt, dass die virtuelle Umgebung als real empfunden wird. | Benutzen wir nicht...weil wir die kritische Distanz zum Kunstwerk bevorzugen. |
REDUNDANZ | In selbstorganisierenden Systemen erfolgt keine prinzipielle Trennung zwischen organisierenden, gestaltenden oder lenkenden Teilen. Alle Teile des Systems stellen potentielle Gestalter dar. Mehrere Bereiche können das gleiche tun, was für eine Art Überfluss sorgt (= Redundanz). | In vertikalen Hierarchien wird Entscheidungsbefugnis nach unten, auf Grund von Kompetenzbefugnis weitergegeben. In horizontalen Systemen ist das nicht nötig, da sowieso eine Dezentralisierung von Entscheidungsbefugnissen vorherrscht. |